Der Rotfuchs ist der größte flächendeckend in Mitteleuropa lebende Beutegreifer, das Landraubtier mit dem weltweit größten Verbreitungsgebiet. In Städten und Siedlungen lebt er inzwischen mitten unter uns. Gleichzeitig wurde aber kaum ein Wildtier über die Jahrhunderte hinweg – und bis in die heutige Zeit – so erbarmungslos von Menschen verfolgt wie er.
Obwohl Füchse so verbreitet sind und jedes Kind das Tier mit dem rostroten Pelz und der schlanken Schnauze sofort erkennt, wissen die meisten Menschen nur wenig über sie. Dafür sind Vorurteile über Meister Reineke weit verbreitet.
Im Spiel mit den Geschwistern trainieren Fuchswelpen wichtige Verhaltensweisen für Nahrungserwerb und Feindvermeidung, Bild: Thorsten Emberger
Auch wenn der Rotfuchs – abgesehen von den „Rückkehrern“ Wolf und Luchs – unser größter Beutegreifer ist, handelt es sich bei ihm um einen zierlichen Gesellen. Ein ausgewachsener Fuchs wiegt gerade einmal fünf bis acht Kilogramm, kaum mehr als eine Hauskatze. Mit dieser sind Füchse übrigens nicht verwandt, obwohl ihr anmutiger Bewegungsablauf das durchaus vermuten ließe. Biologisch betrachtet sind Füchse vielmehr Hundeartige.
Früher dachte man, dass der Fuchs ein Einzelgänger sei, doch die Forschung mit Telemetriehalsbändern hat diese Annahme widerlegt. Zwar jagen Füchse tatsächlich allein – als Mäusejäger können sie ihre Beute schließlich ohne die Hilfe anderer Tiere überwältigen –, sie verfügen jedoch über ein ausgeprägtes Sozialverhalten und ein faszinierendes Familienleben.
Wenn im Frühjahr der Nachwuchs zur Welt kommt, sorgt der Fuchsvater für die Nahrungsversorgung der Familie, während die Füchsin die Welpen säugt. Gemeinsam halten sie Wache und beteiligen sich am Spiel der zumeist drei bis fünf Jungfüchse. Wo Füchse nicht bejagt werden und daher stabile soziale Strukturen entstehen können, bleiben oftmals die Jährlingstöchter des vorhergehenden Jahres bei ihren Eltern und helfen ihnen bei der Jungenaufzucht. Da sie nicht am Fortpflanzungsgeschehen teilnehmen, wird eine Zunahme des Fuchsbestands verhindert – „Geburtenbeschränkung statt Massenelend“, beschrieb der Biologe Erik Zimen dieses Phänomen.
Ein ebenso hübscher wie schlauer Geselle: Der Rotfuchs (Vulpes vulpes), Bild: Luise Dittombée
Im Alter von etwa drei bis vier Wochen beginnen Fuchskinder die Welt außerhalb des Baus zu erkunden. Im Spiel mit anderen Familienmitgliedern erlernen sie nach und nach wichtige Verhaltensweisen, die für Nahrungserwerb, Feindvermeidung und soziale Interaktion bedeutsam sind. Allerdings sind auch erwachsene Füchse bisweilen recht verspielte Gesellen: So beobachtete der Autor Günter Schumann beispielsweise, wie Füchse sich voller Übermut wieder und wieder einen schneebedeckten Abhang hinunterrutschen ließen.
Jungfüchse sind bereits mit etwa sechs Monaten selbstständig und verlassen im Spätsommer oder Herbst das elterliche Revier, um sich ein eigenes Steifgebiet zu suchen. Auf ihren Wanderungen legen sie dabei oft dutzende Kilometer zurück. Haben sie nicht das Glück, ein vakantes Territorium zu erobern, müssen sie sich ihren Platz in Auseinandersetzungen mit dem aktuellen Revierinhaber erkämpfen. Diese Kämpfe gehen zumeist jedoch unblutig vonstatten – eine Beißhemmung sorgt dafür, dass der Verlierer nicht im Daseinskampf behindert ist und weiterziehen kann, um an einem anderen Ort sein Glück zu versuchen.
Die Hauptnahrung des Fuchses sind Mäuse, die er mit einem eleganten Sprung erbeutet. Aber auch Kaninchen und sogar Regenwürmer stehen auf Reinekes Speisekarte. Als eifriger Jäger von Nagetieren wird er von Forstleuten geschätzt, und durch das Erbeuten kranker Tiere und das Vertilgen von Aas beteiligt er sich an der Eindämmung von Seuchen. Feldhasen stehen dagegen kaum auf seinem Speiseplan: Ein gesunder Hase ist weitaus schneller und wendiger als jeder Fuchs. Studien zeigen, dass Hasen von Füchsen vor allem als Aas – beispielsweise als Verkehrsopfer auf Landstraßen – aufgenommen werden. Auch wenn Füchse biologisch betrachtet Beutegreifer sind, sind sie übrigens auch vegetarischer Kost nicht abgeneigt. Im Spätsommer ernähren sie sich oft wochenlang vornehmlich von Beeren und Obst.
Bei der Jagd, aber auch bei der Feindvermeidung kommen Reineke seine hervorragenden Sinnesleistungen zugute. Ein Fuchs kann die Geräusche einer Maus noch unter einer 30 Zentimeter dicken Schneedecke punktgenau orten, und seine Nase ist etwa 400 Mal sensibler als die eines Menschen. Durch einen reflektierenden Augenhintergrund verfügen Füchse zudem über eine ähnlich gute Nachtsicht wie Hauskatzen, mit denen sie auch die vertikal geschlitzten Pupillen gemein haben.
Die sprichwörtliche Schläue des Fuchses ist weithin bekannt. Tatsächlich lernen Füchse schnell, erfassen Zusammenhänge und können ihr Wissen dann im Überlebenskampf einsetzen. So stellen sie sich beispielsweise tot, um Aasfresser wie Krähen anzulocken und diese dann zu erbeuten. Im Gegensatz etwa zu Wölfen können auch wildlebende Füchse einen menschlichen Fingerzeig interpretieren. Und der Biologe Felix Labhardt war tief beeindruckt, als er versuchte, Füchse zur Besenderung in Kastenfallen zu fangen und es diesen wieder und wieder gelang, die Köder zu stehlen, ohne die Falle auszulösen.
So sind überlegene Sinnesleistungen, Intelligenz und Anpassungsfähigkeit die Schlüssel für den großen Erfolg der Spezies Vulpes vulpes. Sie haben es dem Fuchs ermöglicht, in der Kälte Alaskas ebenso zu bestehen wie in der Hitze Nordafrikas, und während andere Tierarten durch den immer größer werdenden Flächenverbrauch des Menschen mehr und mehr zurückgedrängt werden, behauptet Reineke sich auch in unmittelbarer Nachbarschaft seines größten Feindes. Dabei trotzt er selbst intensivsten Nachstellungen: In Deutschland töten Jäger jährlich mehr als eine halbe Million Füchse mit Flinten, Fallen und Jagdhunden, ohne dass dies eine Auswirkung auf den Fuchsbestand hätte.